Ja, es ist wahr. Es gibt ein Deutschland in Texas. Na gut, nicht ganz. Ein bisschen Deutschland vielleicht. Aber das hat sich hier ganz schön lange gehalten, und ist sogar dabei, sich besser zu positionieren.
Danke, George Washington, für dieses lange Wochenende. Seit 1971 wird der dritte Montag im Februar als Feiertag begangen, um seines Geburtstages zu gedenken. Wir haben es zum Anlass genommen, einmal ein wenig aus Austin raus zu kommen. Nachdem uns von verschiedenen Seiten “Fredericksburg” und “entchanted Rock” empfohlen wurde, sind wir diesem Rat gefolgt. Beides ist nicht weit weg von Austin, nur etwas mehr als eine Autostunde Fahrt. Unsere Reiseroute habe ich auch schon vorab festgelegt: Am Samstag wollen wir tagsüber die “Sauer-Beckmann Farmstead” sowie das “Lyndon B. Johnson Memorial” ansehen und abends in Fredericksburg essen gehen, und am nächsten Tag schauen, was der “Entchantend Rock National Park” her gibt.
Schon alleine die Fahrt nach Stonewall ist entspannend. Die Kinder sind mit elektronischen Geräten am Rücksitz beschäftigt, bis wir in mehr Gegend kommen. Wir sind gute Eltern, und zwingen sie, aus dem Fenster zu schauen und das Handy bzw. Tablet wegzulegen. Es gefällt ihnen sogar, denn draußen gibt es immer wieder Kühe, Ziegen, Schafe oder Pferde zu sehen. Und dazwischen weite, offene Landschaft. Erinnert mich ein bisschen daran, wenn man über das Leitha-Gebirge drüber ist und den Neusiedlersee und die beginnende ungarische Tiefebene ahnen kann…
Doch hier beginnt keine Tiefebene, sondern wir sind in Texas Hill Country gelandet. Schneller als gedacht sind wir bei der Sauer-Beckmann Farmstead. Es handelt sich um einen State Park, in dem der ursprüngliche Bauernhof wieder in den Zustand versetzt wurde, in dem er sich um die Zeit zwischen 1915 und 1918 befunden hat. Mit Hilfe von Freiwilligen, die auch in damaliger Kleidung arbeiten, wird die Farm auch so bewirtschaftet. Vor ein paar Tagen wurde ein Schwein geschlachtet. Über offenem Feuer wird gerade Schmalz ausgelassen, in einem Wellblech-Smoker werden Ripperl gegart, und etwas weiter drüben werden geputzte Därme mit Wurstbrät gefüllt. Das ist sehr hart für unsere Vegetarierin, deren Lieblingstier noch dazu (lebende) Schweine sind. Sie verzupft sich lieber, verstehe ich. Zum Glück waren wir nicht hier als sie Blunze und Leberwurst gemacht haben. Ich glaube, diesen Geruch brauche ich nicht. Das Tier wurde übrigens mittels Weideschuß ins Jenseits befördert, falls es jemanden interessiert.
Die Geschichte der Farm ist recht interessant, vor allem, dass es so etwas wie Texas-Deutsch, oder Texan-German gibt. Seit den ersten Einwanderern in den 1830er Jahren hat sich die reine oder gemischt abstammende deutsche Bevölkerung auf über 17 % der texanischen Bevölkerung vergrößert, was sie zur drittgrößten Gruppe macht (nach Amerikanern und Hispanics). Das war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst. Wir gingen noch ein wenig auf der Farm spazieren. Der Park ist ein Refugium für Bisons und Texas Longhorns. Nachdem Winter ist, ist es aber wenig idyllisch.
Nach einer kurzen Autofahrt, die nur über den Pedernales-Fluss führt, sind wir im State Park, der sowohl Lyndon B. Johnsons Geburtshaus, seinen Hauptwohnsitz, als auch sein Grab auf dem Privatfriedhof, umfasst. Seine Großeltern waren Nachbarn der Sauers bzw. Beckmanns. Im Jahr 1951 kaufte er dann das kleine Haus seiner Tante und baute es nach und nach zum “Texas White House” um. Ja, und wer war “er” jetzt genau? Lyndon Baines Johnson war der 36. Präsident der Vereinigten Staaten. Er wurde durch Kennedys Ermordung vom Vizepräsidenten zum Präsidenten, aber danach für die nächste Periode auch vom Volk gewählt. Er scheint ein sehr schillernder Charakter gewesen zu sein. Einerseits innenpolitisch vor allem für seine Stärkung der Bürgerrechte bekannt, sowie für umfassende neue Gesetzgebung im Bildungsbereich, bei der Waffenkontrolle sowie der besseren Gesundheitsversorgung und der Bekämpfung der Armut. Ebenso war er der erste, der so etwas wie “Umweltschutz” gesetzlich verankerte. Andererseits trieb er während seiner Präsidentschaft den Vietnamkrieg voran, und auch der Sechs-Tage-Krieg fällt in seine Regierungszeit. Unser Guide auf der Ranch erzählte uns auch, dass er teilweise seine Sekretäre anwies, ihm während des Diktats zu folgen. Und dann suchte er die Toilette auf. Auf der Farm kam er einerseits wie ein Angeber rüber, aber gleichzeitig sehr bodenständig. Schräge Mischung. Seine Frau Lady Bird (Claudia Alta) kam aus einer reichen Familie, unterstützte ihren Mann, und baute nebenbei ein Medienimperium auf, das Millionen einbrachte. Ich fand es dort jedenfalls sehr schön und interessant und würde definitiv wieder hinfahren.
Doch jetzt ging es mal weiter Richtung Fredericksburg. Auf dem Weg dorthin kamen wir bei “Magnolia Pearl” vorbei, was uns prompt zum Umdrehen bewogen hat, so schön war es von außen. Drinnen ist ein sehr spezieller Kleiderladen. Das Gewand ist neu, sieht teilweise aus wie aus 1860 original erhalten und jagt mir gleichzeitig Schauer des Entsetzens als auch der Begeisterung über den Rücken. Danach ging es weiter nach Fritztown. Die gibt es seit 1846 und wurde als deutsche Siedlung gegründet. Auch heute noch wird das deutsche Erbe hochgehalten. Es gibt genug “deutsche” Lokale mit “deutschem” Essen. Auf der Karte gibt es Wiener Schnitzel, german potato salad und Knockwurst. Es schmeckt halt nicht ganz wie daheim. Wie uns erzählt wurde, ist in den letzten Jahren das deutsche Flair sogar noch gestiegen, da sich die Stadt vor allem im Bereich des Fremdenverkehrs etablieren will. Auch der Weintourismus ist hier herauszustreichen. Doch für uns ging dieser Tag erstmal zu Ende. Unser Motel verlinke ich nicht, da findet ihr sicher etwas Besseres. Dafür geht´s hier zu der Foto-Galerie unseres Ausflugs.