Amerika = Cowboy und Indianer. Zumindest für mich als Kind hat das zusammengehört. Und immer noch übt alleine das Wort “Indianer” eine Faszination aus, der ich mich nicht entziehen kann. Ich denke an geheimnisvolle Gesänge, an Leben im Einklang mit der Natur, an Spiritualität und uralte Weisheit. Wie aktuell ist dieses Bild heute noch? Und “die Indianer”? Gibt es überhaupt welche in Texas? Obwohl einige hundert Stämme in Texas gelebt haben – geblieben sind gerade drei Reservate. Keines davon ist öffentlich zugänglich. Eines bietet einen Souvenirladen, eines eine Bingo-Halle und eines hat ein Casino. Das sind die einzigen Zugangsmöglichkeiten für Nicht-Bewohner. Aber es gibt Powwows! Das sind Treffen befreundeter Stämme, wo man zusammenkommt um alte oder neue Freundschaften zu pflegen, zu tanzen, zu singen und gemeinsam zu feiern. Dabei ist jeder Willkommen.
Zu unserem Glück gibt es seit 28 Jahren auch in Austin ein powwow, und das fand Anfang Novemer statt. An diesem Tag kam auch unser erster Gast, Steven aus Südafrika, an. Ihn haben wir gleich mitgeschleppt um ihm den jetlag zu verkürzen 🙂
Ich glaube immer, alle diese Leute in ihren farbenprächtigen Kostümen müssen über so viel Wissen verfügen, über so viel Ahnung von etwas Übernatürlichem. Stimmt das? Ich habe es nicht herausgefunden. Die Trommeln und der Gesang (es sind übrigens nur Männer, die Musik machen) fahren mir zwar anfangs direkt in die Seele, aber trotzdem bleiben Sie mir fremd und wecken außer einer Traurigkeit nichts in mir. Keine Verbundenheit, keinen channel zu einer höheren Wesenheit. Einmal darf das Publikum auf die Arena-Fläche und mit den Tänzern herumgehen. Es werden “blessings” gesammelt in Form von Geldscheinen, die auf eine bunte, gewebte Decke geworfen werden. Das ist es eigentlich, was am deutlichsten ist. Indianer sind arm. Die Halle “Great promise for American Indians” ist heruntergekommen, die Isolierung zerschlissen, die Verkabelung fragwürdig. Auch die Nebengebäude sind in desolatem Zustand. Die Leute in ihrer Alltagskleidung wirken stolz, ja; aufrecht. Aber arm.
Während ich in der großen Halle sitzen bleibe und dem Treiben zuschaue, beschließen die Kinder, draußen eine Runde zu drehen. Sie üben an einem Stand Bogenschießen, an einem anderen, eine Angelrute auszuwerfen.
Sie kommen erst wieder zum “grand entry” wenn alle Tänzer mit den Flaggen einziehen. Es “zieht” sich mittlerweile. Wir warten den offiziellen Teil noch ab, was lange genug dauert, um am frühen Nachmittag nach Hause zu gehen. Die Lautstärke, mit der getrommelt und gesungen wird, ermüdet. Und zugegeben, die Eintönigkeit und Intensität zerrt nach ein paar Stunden schon an unseren Nerven. Gehe ich nächstes Jahr trotzdem hin? Vermutlich schon. Mir gefällt die Stimmung. Es ist ein bisschen wie ein Zirkus, man ist ganz nah dran. Die Tänzer kommen in ihrer Alttagskleidung und ziehen sich dann dort um, dekorieren, flechten die Haare. Die Stimmung ist entspannt.
Ich hätte gerne noch die Tänze gesehen, die nach dem offiziellen Einzug dargeboten und bewertet wurden. Es gibt sicher noch einige Geheimnisse zu ergründen. Aber andererseits: Kultur ist Kultur, und Indianer sein nicht mein Erbe. Meine Tradition ist eher “Schuhplattler” als “Chicken dance”. Ich bin versucht zu glauben, dass, wer den Sinn seines Lebens nicht in sich und seiner direkten Umgebung findet, ihm vermutlich nicht einfacher in Indien, Costa Rica oder Texas über den Weg rennt.
Vielleicht sitze ich nächstes Jahr nicht die ganze Zeit in der großen Halle, sondern schaue mir auch die Händler und ihre Waren im Freigelände an. Dazu hatten wir nämlich keine Energie mehr. Dafür haben wir mit Steven eines der besten Tex-Mex-Restaurants aufgesucht; von Chuy´s schwärmen alle!